• Kein Samba auf dem Platz – nur auf der Tribüne

    Mein fünftes Spiel führte mich zum zweiten Mal zu einer Partie der Schweiz. Gegen Brasilien hatten meine Schweizer Sitznachbarn nach dem Spiel gegen Kamerun ihrer Nati, wie die Schweizer Nationalmannschaft recht liebevoll genannt wird, kaum Chancen eingeräumt – zu behäbig hatte sie agiert. Aber mit dem Ausfall von Neymar fehlte den “Brazileros” die Schaltzentrale im Mittelfeld und wenn die Schweizer vielleicht nicht gerade eine Angriffsmaschine sind, verteidigen können sie! So entwickelte sich gestern Abend ein über weite Strecken relativ langweiliges Spiel ohne große Höhepunkte. Erst in der zweiten Halbzeit gelang es den Brasilianern mehr Druck aufzubauen und nach einem schön herausgespielten Abseitstor traf letztendlich der Mittelfeldabraeumer Casemiro mit einem Kunstschuss kurz vor Ende der regulären Spielzeit.

    Wenngleich das Spiel nicht hochklassig war, die von den brasilianischen Zuschauern erzeugte Stimmung war es. Im mit gut 40.000 Zuschauern nicht restlos gefüllten Stadion dominierte das Gelb der brasilianischen Trikots, rote Schweizer “Flecken” gab es nur vereinzelt. Aber längst nicht alle in gelb gekleideten Fans waren echte Brasilianer, ich vermute die Mehrheit waren einheimische Fans und Anhänger anderer Teams, die Brasilien einfach mögen. Viele Fans trugen “Neymar-Trikots”, aber da er nicht spielte, konnten wir unsere Idee ihn mit “Lula, Lula”-Rufen aus dem Konzept zu bringen, nicht umsetzen. Zur Erklärung: Neymar outete sich als überzeugter Unterstützer des gerade abgewählten, rechtsradikalen Präsidenten Bolsonaro. Bei den Wahlen im Oktober gewann der progressive, linksliberale frühere Präsident Lula.

    Nach dem Khalifa-Stadion, dem al Bayt-Stadion und dem al Janoub-Stadion war das 974-Stadion bereits die vierte von acht Spielstätten, in die ich bislang gekommen bin. Die vier weiteren Stadien werde ich bis zum Abschluss meiner Katar-Reise auch noch in Augenschein nehmen können. Heute Abend zum Spiel Ecuador gegen Senegal geht es wieder ins Khalifa-Stadion.

    Mit Ausnahme des 974-Stadions sind alle Stadien klimatisiert. Aus gigantischen Kuehlaggregaten wird permanent kalte Luft aus unter den Sitzen befindlichen Düsen ins Stadion geleitet. Das kühlt die Innentemperatur auf manchmal fast zu kühle 22C herunter und hilft auch den Spielern, mit den saisonal ungewohnten klimatischen Bedingungen (25C gegen 20.00 Uhr mit z.T. hoher Luftfeuchtigkeit) besser klarzukommen. Es ist aber auch eine gewaltige Energieverschwendung, über vier Stunden, ein nach oben hin geöffnetes Stadion so herunter zu kühlen.

    Die Veranstalter und die FIFA hatten grossspurig angekündigt, dass die WM nahezu klimaneutral sein werde. Angesichts der immensen Emissionen beim Bau der Infrastruktur (Metro, Stadien, Straßennetz), der Herunter-Kühlung der Stadien oder von Shuttle Flüge für Fans im Stundenrhythmus aus dem benachbarten Dubai, die in Katar keine Unterkunft mehr gefunden hatten, bleibt schleierhaft, wie dies erreicht werden soll. Selbst die kompakte Ausrichtung der WM, bei der die Stadien maximal 55km voneinander entfernt liegen und die lange Flüge wie z.b. bei der WM in Russland vermeidet oder der Rück- oder Umbau der Stadien nach der WM (das 974-Stadion besteht aus Containern und soll sogar komplett abgebaut werden) werden kaum ausreichen, Klima-Neutralität herzustellen.

    So jetzt wird es bald schon wieder Zeit, mich für das nächste Spiel – Ecuador vs. Senegal – fertig zu machen. Morgen meine Eindrücke von diesem Spiel!

  • Wuestenausflug

    Das vorzeitige Aus bei der WM konnte mit dem 1:1 gegen Spanien noch abgewendet werden. Dank “Lücke Füllkrug” hat Deutschland nach der Auftaktpleite gegen Japan, nun doch noch die Chance eigenständig das Achtelfinale zu erreichen. Voraussetzung ist mindestens ein Sieg mit zwei Toren Unterschied gegen Costa Rica und maximal ein Unentschieden von Japan gegen Spanien.

    Im gestrigen Spiel standen sich zwei extrem hochpreisende Teams gegenüber, in dem die höhere Ballsicherheit der Spanier durch Einsatz und clevere taktische Einstellung aufgewogen wurde. Aus unserer Sicht als Fans im Stadion fiel nur der holländische (wie kann die FIFA in solch einem Spiel einen Holländer einsetzen. Das ist als ob ein Spiel zwischen Eintracht und dem HSV von einem Schiri aus Hannover geleitet würde!) Schiedsrichter leistungsmässig ab.

    Fuer das Spanienspiel hatten wir Plätze der 1.Kategorie auf der Haupttribüne des al Bayt Stadions. Damit saßen wir genau auf Höhe der Strafraumgrenze (des Tores, auf das Deutschland in der ersten Halbzeit spielte). Das Publikum war bunt gemischt, die Fan-Blöcke saßen jeweils hinter den Toren, vor allem die Spanier machten zur Melodie von “Kalinka” ordentlich Betrieb. Aber auch wir hielten dagegen, nur fehlte uns ein passendes Lied.

    Das al Bayt Stadion liegt rund 50km nördlich von Doha und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht so leicht wie die anderen Spielstätten zu erreichen. Von außen sieht es – vor allem bei Nacht, wenn es fantastisch illuminiert ist – wie ein gigantisches Beduinenzelt aus. Im Inneren verströmt es richtig gute Fußball-Atmosphäre, was etwa im Khalifa-Stadion, wo wir das Spiel gegen Japan sahen, nicht im gleichen Maße der Fall ist. Dort verläuft noch eine 400m Bahn um das Spielfeld herum und der Abstand zwischen Platz und Tribüne ist recht groß.

    Bis auf das 974-Stadion, das komplett aus Containern errichtet wurde (der Name leitet sich entweder von der internationalen Telefonvorwahl für Katar ab oder von der Zahl der verbauten Container) haben alle Stadien Air-Conditioning. Die kühle Luft wird aus Düsen unter den Sitzen ins Stadion geleitet und verpufft letztendlich, weil alle Stadien natürlich nach oben hin geöffnet sind. Der Effekt für Spieler und Zuschauer ist dennoch angenehm.

    Unsere kleine Fangruppe -Carlos, Olaf, OJ und ich – verbanden den Besuch des im Norden liegenden al Bayt Stadion mit einer ersten (?) Expedition per Mietwagen in das “Landesinnere “. Zunächst ging es auf der 10-spurigen al Shamal Rd. rund 70 km in nördliche Richtung, dann quer über die katarische Halbinsel (das ganze Land ist ja nur eine Halbinsel) nach Westen zum einzigen katarischen UNESCO Weltkulturerbe, dem Wüsten-Fort al Zubara. Im 18./19. Jahrhundert schützte das Fort die prosperierende Perlentaucher-Siedlung gleichen Namens gegen Piratenueberfaelle und begehrliche Nachbar-Emirate. Die ockerfarbigen Mauern und vier Ecktuerme verleihen dem Ganzen den Eindruck einer Sandburg. Im Inneren beherbergt das Fort heute ein kleines, interessantes Museum, das die abwechslungsreiche Geschichte der Region dokumentiert.

    Nächster Zielpunkt war das nahe der kleinen Stadt L Ruwais gelegene Zilla Wellness Resort – das Quartier der deutschen Mannschaft. Wir wurden am Eingang freundlich aber bestimmt abgewiesen, durften aber von Außen so viele Fotos machen, wie wir wollten. Wir fuhren weiter an einen nahebei gelegenen einsamen Strand, wo eine einsamer britischer Kite-Surfer (Stimmen trugen sehr weit) im flachen Wasser der Lagune sein Glück versuchte.
    Dort verfolgten wir auf dem Handy die letzten 20 Minuten des Spiels Costa Rica gegen Japan. Als die Costaricaner quasi aus dem Nichts (mit dem ersten Torschuss des Teams) in Führung gingen, führten wir dies sofort auf die magische Wirkung unseres Besuchs des deutschen Team-Quartiers zurück. Die Wirkung solch “magischen Denkens” auf Spielergebnisse wird einfach fahrlässig unterschätzt! Nicht umsonst versuchen afrikanische Mannschaften, Spiele mittels Magie und Hexerei zu gewinnen.

    Nach einer entspannenden Stunde am Strand, in der wir die nunmehr wieder signifikant gestiegenen Chancen der deutschen Mannschaft diskutierten, fuhren wir Richtung Stadion. In der nahe gelegenen kleinen Stadt al Khor fanden wir ein iranisches Restaurant, das nicht nur das Spiel Marokko gegen Belgien (2:0) zeigte, sondern auch erstklassiges Essen servierte. Gegen 20.00 Uhr fuhren wir mit unserem kleinen Mietwagen ans Stadion und gingen relativ gemütlich zu unseren Plätzen. Dann kam das für mich bislang zu den besten Spielen des Turniers zählende Match. Um kurz vor 02.00 Uhr waren wir wieder in unserer Wohnung – müde, aber weiterhin mit der Hoffnung, dass das Spiel gegen Costa Rica am Donnerstag nicht das letzte der deutsche Mannschaft werden wird.

  • Sportliche Euphorie-Bremse in einer stimmungsguten WM

    Eigentlich hatte ich ja gedacht, meine Berichte über die WM-Spiele mit einer gewissen Euphorie beginnen zu können. Die kuriose Niederlage gegen Japan im ersten Gruppenspiel (Japan traf bei 3 oder 4 Chancen zweimal, Deutschland bei mehr als 10 erstklassigen Chancen nur einmal per Elfmeter) dämpfte die Stimmung zumindest vorübergehend. Jetzt stehen für Deutschland bereits ab dem zweiten Spiel nur noch KO-Spiele an. So richtig mag in unserer kleinen Fan-Gruppe niemand mehr an ein Weiterkommen glauben. Also ein Russland-Deja vu?

    Im Khalifa-Stadion beherrschten am Mittwoch die japanischen Fans die Szenerie – Trommelgruppen, permanente Anfeuerungsrufe für „Nippon“ und Tausende japanische Flaggen (die gab es umsonst vor den Stadion-Toren für beide Teams) schwenkender Fans – auch nicht-japanischer Herkunft – dominierten das Bild. Die Unterstützung für Deutschland hielt sich in Grenzen. Während wir als deutsche Fans den vergebenen Chancen in beiden Halbzeiten nachtrauerten, feierten die Japaner umso ausgiebiger nach dem Schlusspfiff.

    Die „öffentliche“ Meinung unter den einheimischen und internationalen Fans tendierte nicht nur wegen des Außenseiter-Status zu Japan, sondern wohl auch die anhaltendende und hier vor Ort als unberechtigt empfundene Kritik der deutschen Politik und Öffentlichkeit trug dazu bei. Die vielbeschworene Stimmung in Katar ist nämlich durchweg positiv und gut. Die WM wird in der arabischen Region nicht als katarische Veranstaltung wahrgenommen, sondern als eine „arabische WM“, die aus welchen Gründen auch immer in Katar stattfindet. Die Fans aus Saudi-Arabien, Dubai oder selbst Ägypten sind stolz darauf, dass ein arabisches Land die WM organisiert und in einem prächtigen Rahmen ausrichtet. Die vornehmlich europäische „Miesepetrigkeit“ erzeugt hier vor allem Unverständnis.

    Und ich muss einfach zugeben, dass Organisation und Willkommensstimmung in Katar wirklich gut sind. Die in der letzten Dekade aus dem Boden gestampfte Infrastruktur in der Stadt und rund um die Stadien ist erstklassig. Katar hat neben sieben neuen (das noch aus den 70er Jahren stammende Khalifa-Stadion wurde zusätzlich modernisiert) Stadien auch drei U-Bahn-Linien gebaut(hier „Metro“ genannt), die sechs der acht Stadien direkt anbinden. Die Züge verkehren alle drei Minuten und werden automatisch – also ohne Zugführer – gesteuert. Entgegen den Befürchtungen in der europäischen Presse (und auch von mir), dass die Transportsystem die Fan-Massen nicht bewältigen können, ist der Transport von den Stadien zu den Metro-Stationen hochgradig effizient auf gut ausgeschilderten und wegweisendem Personal organisiert. Es dauert zwar mitunter etwas, ehe man in die Züge kommt, aber selbst in den Warteschlangen herrscht gute Stimmung. Arabische Trommel- und Tanzgruppen, wunderliche Stelzengänger und Musiker sorgen für Unterhaltung.

    Nach dem fußballerisch eher überschaubaren Spiel Schweiz gegen Kamerun (1:0) waren wir überwältigt von der unglaublich hohen Effizienz in der Organisation und Lenkung der Zuschauermassen. Die aus dem Stadion strömenden Zuschauer wurden in sich verengende (Serpentinen-)Gassen – begrenzt von Bauch-hohen Barrieren – bis zu einem Bus-Terminal. Dort warteten rund 200 moderne Busse, die uns zur nächsten Metro-Station brachten. Von dort ging es dann in 20 Minuten in die Innenstadt und vorn dort wiederum per Bus in die Nähe unserer Wohnung.

    Das (neu gebaute) Stadion al-Janoub liegt im Süden Dohas, in der ebenfalls völlig weitgehend errichteten Satelliten-Stadt al-Wakra. Dabei handelt es sich nicht um ein paar Straßenzüge von Neubauten, sondern um eine eigene kleine Stadt mit sehr guter Verkehrsanbindung (ich habe noch nie so viele 8-spurige Straßen wie in Katar gesehen) inklusive Metro-Station, eigenen Shopping Malls und Geschäftsviertel. Alle Gebäude sind in einem hellen sandfarbigen Ton gehalten und verschmelzen damit gut mit der staubigen, momentan eher pastellfarbigen Wüstenlandschaft, in der nicht nur al-Wakra, sondern eigentlich ganz Katar liegt. Vegetation, wo sie denn existiert, ist immer künstlich angelegt.    

    Unser Eindruck der WM in Katar nach den ersten beiden Spieltagen ist um Vieles positiver als nach den z.T. extrem kritischen Vorab-Kommentaren zu erwarten gewesen ist. Der ökologische Fußabdruck der WM ist natürlich weiterhin unakzeptabel hoch (an die Existenz von ausreichenden Kompensationsprojekte glaube ich nicht so ganz), Menschenrechtslage und politische Partizipation in Katar sind ebenfalls nicht mit der Situation in Deutschland zu vergleichen und die Arbeitsbedingungen für die rund drei Millionen Gastarbeiter könnte sicherlich auch weiter verbessert werden. Doch es ist keine chaotische WM mit einem überforderten Gastgeber, fehlender Stimmung und uninteressierter Bevölkerung. Die WM hat trotz deutscher Auftaktniederlage begonnen Spaß zu machen. Sportlich war dies sowieso niemals eine Frage.

  • Angekommen – Eintauchen in eine neue Welt

    Losgegangen ist die WM ja schon am Sonntag mit dem einseitigen und wenig spannenden Spiel zwischen Gastgeber Qatar und Ecuador, bei dem der traurige Höhepunkt war, dass viele Zuschauer das Stadion bereits zur Halbzeit verließen. Die nächsten Spiele (England – Iran, Holland – Senegal) am Montag bekam ich dann nur ausschnittsweise beim Umsteigen auf dem Johannesburger Flughafen mit. Für mich begann die WM eigentlich erst heute Morgen um 06:30 Uhr als ich aus dem Flugzeug in Doha (Qatar) ausstieg.

    Das letzte Bier vor Katar

    Allen Unkenrufen zum Trotz verlief die Einreise sehr effizient und bereits eine Stunde später war ich mit einem Taxi unterwegs zu unserem Apartment, wo ich gegen 08:00 Uhr ankam. Mein Kollege Carlos war schon in der Nacht angekommen und empfing mich herzlichst. OJ und Olaf werden heute Abend und morgen früh eintreffen.

    Zusammen machten wir uns später auf, um die nähere Umgebung zu erkunden. Unser Apartment liegt innerhalb des zweiten Rings um die Innenstadt und damit ziemlich zentral. Vier der acht Stadien, die in Qatar für diese WM gebaut wurden, liegen relativ nahebei und wären theoretisch sogar zu Fuß zu erreichen. Ich sage bewusst theoretisch, weil die zum Teil sechs- bis achtspurigen Ringstraßen wenige oder gar keine Möglichkeiten bieten, die Straßen zu überqueren. Wir werden wohl mit der Metro oder Taxen zu den Spielen fahren.

    Unser Apartment liegt trotz seiner Nähe zur Innenstadt in einem Neubau-Gebiet, das z.T. erst für die WM errichtet wurde. Es macht (noch?) einen etwas trostlosen Eindruck, da es in den Straßen kaum etwas Grünes oder Bäume gibt. Umso überraschender dann eine große Grünfläche mit vereinzelten Bäumen, die wohl ein Park werden soll. Die Rasenflächen werden auch bei voller Sonneneinstrahlung und knapp 30C – was hier als angenehm „kühl“ gilt – gesprengt und das satte Grün tut dem Auge einfach gut. Auf unserem Gang durch den angehenden Park wunderten wir uns über die überraschend vielen Vogelstimmen, bis wir merkten, dass diese aus Lautsprechern kamen! Qatarische Illusionen!

    Auf dem Rückweg hörten wir plötzlich aus einem unscheinbaren Café Jubel aufbrausen. Saudi-Arabien hatte gerade das überraschende 2:1 gegen die hoch favorisierten Argentinier erzielt. Und dies wurde im Café auf etlichen Bildschirmen übertragen. Dabei hatte es doch gehießen, dass es keine Live-Übertragungen in Qatar geben würde, weil die Lizenzgebühren dafür zu hoch seien. Nun hatten wir in der unmittelbaren Nähe zu unserer Unterkunft eine Möglichkeit entdeckt, doch weitere Spiele live anzuschauen.

    Die Atmosphäre im Café, erinnerte mich an eine Mischung aus Shisha-Bar und Kneipe vor dem Rauchverbot. Dicht gepackt verfolgten die Zuschauer – Tee trinkend und eingehüllt in dichten Zigarettendunst – gebannt dem Spiel und applaudierten bei jeder gelungenen Abwehraktion, Torwartparade oder einem der seltenen Angriffsversuche der Saudis. Als der Sieg der Saudis nach fast 15 Minuten Nachspielzeit endlich feststand klatschten wir uns mit dem Manager des Café-Hauses begeistert ab!

    Nun sitze ich in unserem recht geräumigen Apartment, höre den Gebetsruf des Muezzin zum (frühen) Sonnenuntergang und beginne langsam zu glauben, dass ich wirklich in Qatar bin, ab morgen etliche WM-Spiele live sehen werde und mehr von diesem etwas anderen Land erleben werde. Der Anfang verlief spannend und vielversprechend.

    Unser Apartment-Block
  • dreimal werden wir noch wach … dann geht’s los

    Letzte Vorbereitungen

    Der Tag meines Abflugs nach Katar kommt mit rasend schnellen Schritten näher. Bislang schien die bevorstehende Reise und die damit verbundenen Vorbereitungen noch relativ weit weg zu sein. Doch nun habe ich morgen meinen letzten Tag im Büro und muss beginnen, meine Koffer zu packen und letzte Besorgungen zu machen. Am Montag fliege ich um 14:00 Uhr zunächst nach Johannesburg in Südafrika, wo ich dann fünf Stunden Aufenthalt habe und die allerletzten Besorgungen machen kann, ehe es nach Katar geht. Dort komme ich um 07:00 Uhr Ortszeit an.

    Niemand von meinen Kollegen, die schon im arabischen Raum unterwegs gewesen sind, kann mir mit Bestimmtheit sagen, mit welchen Temperaturen ich in Doha zu rechnen habe. Die eher generischen Wetter-Apps sagen relativ milde Temperaturen von 26-30C am Tag und knapp über 20C nachts voraus. Aber wenn die Bilder vom eher blamablen 1:0 Sieg der deutschen Mannschaft über den Oman von gestern Abend etwas aussagen, dann, dass es immer noch heiß und sehr feucht ist.

    Akklimatisation wird also für jede Mannschaft wichtig sein. Aus eigener Erfahrung – ich bin ja schon oft zwischen Klimazonen unterwegs gewesen – glaube ich, dass eine Woche ausreichen wird, um die deutsche Mannschaft vom relativ milden Herbst an die subtropischen Verhältnisse in Katar umzugewöhnen. Zumal die Stadien in Katar ja alle heruntergekühlt werden sollen.

    Mehr Sorgen macht mir schon die geringe Einspielzeit für die Mannschaft. Aus dem laufenden Spielbetrieb der Bundesliga in eine 10-tägige Vorbereitung für ein Turnier mit hoffentlich sieben Spielen in 4 Wochen – da könnte es schon etwas dauern, bis ein Team sich findet. Es mag helfen, dass mit dem sieben-köpfigen Bayern-Block ein eingespielter Kern zur Verfügung steht, aber der muss auch in Form und Lage sein, mit ungewohnten Nebenleuten zu harmonieren.

    Ich bin noch die Liste der Spiele schuldig, für die ich Karten bekommen habe. Los geht es am 23.11. mit dem Auftaktspiel der deutschen Mannschaft gegen Japan. Dann folgen:

    24.11.:          Schweiz – Kamerun

    25.11.:          England – USA

    27.11.:          Spanien – Deutschland

    28.11.:          Brasilien – Schweiz

    30.11.:          Tunesien – Frankreich

    01.12.:          Deutschland – Costa Rica

    02.12.:          Kamerun – Brasilien

    03.12.:          Achtelfinale: 1. Gruppe C – 2. Gruppe D

    04.12.:          Achtelfinale: 1.Gruppe D – 2.Gruppe C

    05.12.:          Achtelfinale: 1.Gruppe E – 2.Gruppe F

    06.12.:          Achtelfinale; 1 Gruppe F – 2.Gruppe E

    Am 07.12. geht es frühmorgens direkt zurück nach Lusaka, wo ich dann gegen 08.00 Uhr Ortszeit ankommen sollte.

  • Letzte Vorbereitungen

    Letzte Vorbereitungen

    Der Tag meines Abflugs nach Katar kommt mit rasend schnellen Schritten näher. Bislang schien die bevorstehende Reise und die damit verbundenen Vorbereitungen noch relativ weit weg zu sein. Doch nun habe ich morgen meinen letzten Tag im Büro und muss beginnen, meine Koffer zu packen und letzte Besorgungen zu machen. Am Montag fliege ich um 14:00 Uhr zunächst nach Johannesburg in Südafrika, wo ich dann fünf Stunden Aufenthalt habe und die allerletzten Besorgungen machen kann, ehe es nach Katar geht. Dort komme ich um 07:00 Uhr Ortszeit an.

    Niemand von meinen Kollegen, die schon im arabischen Raum unterwegs gewesen sind, kann mir mit Bestimmtheit sagen, mit welchen Temperaturen ich in Doha zu rechnen habe. Die eher generischen Wetter-Apps sagen relativ milde Temperaturen von 26-30C am Tag und knapp über 20C nachts voraus. Aber wenn die Bilder vom eher blamablen 1:0 Sieg der deutschen Mannschaft über den Oman von gestern Abend etwas aussagen, dann, dass es immer noch heiß und sehr feucht ist.

    Akklimatisation wird also für jede Mannschaft wichtig sein. Aus eigener Erfahrung – ich bin ja schon oft zwischen Klimazonen unterwegs gewesen – glaube ich, dass eine Woche ausreichen wird, um die deutsche Mannschaft vom relativ milden Herbst an die subtropischen Verhältnisse in Katar umzugewöhnen. Zumal die Stadien in Katar ja alle heruntergekühlt werden sollen.

    Mehr Sorgen macht mir schon die geringe Einspielzeit für die Mannschaft. Aus dem laufenden Spielbetrieb der Bundesliga in eine 10-tägige Vorbereitung für ein Turnier mit hoffentlich sieben Spielen in 4 Wochen – da könnte es schon etwas dauern, bis ein Team sich findet. Es mag helfen, dass mit dem sieben-köpfigen Bayern-Block ein eingespielter Kern zur Verfügung steht, aber der muss auch in Form und Lage sein, mit ungewohnten Nebenleuten zu harmonieren.

    Ich bin noch die Liste der Spiele schuldig, für die ich Karten bekommen habe. Los geht es am 23.11. mit dem Auftaktspiel der deutschen Mannschaft gegen Japan. Dann folgen:

    24.11.:          Schweiz – Kamerun

    25.11.:          England – USA

    27.11.:          Spanien – Deutschland

    28.11.:          Brasilien – Schweiz

    30.11.:          Tunesien – Frankreich

    01.12.:          Deutschland – Costa Rica

    02.12.:          Kamerun – Brasilien

    03.12.:          Achtelfinale: 1. Gruppe C – 2. Gruppe D

    04.12.:          Achtelfinale: 1.Gruppe D – 2.Gruppe C

    05.12.:          Achtelfinale: 1.Gruppe E – 2.Gruppe F

    06.12.:          Achtelfinale; 1 Gruppe F – 2.Gruppe E

    Am 07.12. geht es frühmorgens direkt zurück nach Lusaka, wo ich dann gegen 08.00 Uhr Ortszeit ankommen sollte.

  • Vor der Abreise

    Zur WM nach Qatar !?

    Ich bin Wolff-Christian Peters, aufgewachsen im Peiner Ortsteil Woltorf und arbeite und lebe seit mehr als 30 Jahren im südlichen und östlichen Afrika – zurzeit in Sambia. Zusammen mit vier Freunden und Kollegen schaue ich mir in Katar vom 23.11. bis 07.12.2022 insgesamt zwölf WM-Spiele vor Ort an – darunter alle deutschen Vorrunden-Spiele und – hoffentlich – das Achtelfinale.

    In Umfragen heißt es, dass sich eine knappe Mehrheit der Deutschen keine Spiele der WM aus Katar ansehen würde. Das in den letzten zwei Jahrzehnten so beliebte Public Viewing soll weitgehend ausfallen (es ist ja auch Winter!), viele Kneipen wollen ebenfalls keine Spiele oder nur die deutschen übertragen. Die Deutschen scheinen moralisch empört zu sein über eine WM, deren Nominierung mit Bestechungsgeldern erkauft worden sein soll (kann aber auch für die WM 2006 in Deutschland gesagt werden!). Eine WM, für deren Neu- und Ausbau von Stadien und Infrastruktur zig-tausende von vor allem asiatischen Gastarbeitern zu Hungerlöhnen und unter erbarmungswürdigen Umstanden geschuftet haben und wohl auch zu großer Zahl gestorben sind. Eine WM, die in einem Land stattfindet, dass autokratisch regiert wird, Menschenrechte wenig achtet, schwule, lesbische und queere Menschen verfolgt und hart bestraft. Und eine WM, in einem Land, in dem der Alkoholkonsum verboten ist, was sicherlich etliche Fans vor große Probleme stellen wird.

    All das hat mich im Vorfeld zur Entscheidung, ob ich zur WM fahren soll oder nicht, natürlich stark bewegt. Ich finde die Vergabe der WM nach Katar weiterhin abstrus: noch nie zuvor (und hoffentlich auch nie wieder!) fand eine Fußball-WM in einem Land mit weniger Fußball-Tradition, Willkommenskultur und physischen Voraussetzungen statt. Aber auch unter solchen Bedingungen wird wahrscheinlich hervorragender Fußball geboten werden und ein spannendes Turnier stattfinden. Ich fahre des Fußballs wegen und dem Austragungsort zum Trotz nach Katar.

    Auch in der Vergangenheit hat es schon WM-Turniere in Ländern mit mehr als fragwürdigen Menschenrechtsbilanzen gegeben. Ich denke da an Argentinien 1978, wo damals eine mörderische Militär-Junta herrschte, die Regime-Gegner über dem Meer lebend aus Hubschraubern stürzen ließ, oder auch gerade an Russland 2018, das ein paar Jahre zuvor die Krim-Halbinsel überfallen und von der Ukraine annektiert hatte. An der WM in Katar ist neu, dass eine autokratische Herrscherfamilie ein sportliches Großereignis dazu nutzen will, um sein fragwürdiges internationales Image zu verbessern, oder wie man in Neu-Deutsch sagt: „sport-washing“ zu betreiben.

    Wenn ich jetzt mit einem nicht so guten Gewissen nach Katar fliege und mir dort zwölf Spiele anschaue, möchte ich wenigstens mit meinen Beiträgen über die WM dafür sorgen, dass mehr als nur über die Spiele an sich berichtet wird. Ich möchte meine Eindrücke aus dem Land schildern, über die soziale und ökologische Verträglichkeit dieses Events berichten und dazu schreiben, wie ich mich vor Ort fühle. Wird es am Ende Wert gewesen sein, tief in die Tasche zu greifen, um ein Turnier mit voraussichtlich brillantem Fußball aber unter fragwürdigen Begleitumständen zu sehen?

    (Lusaka, 10.10.2022)

    Vorbereitung: gebremster Enthusiasmus und wachsende Spannung

    Je näher der Abreisetermin rückt, desto stärker sollte eigentlich die Vorfreude auf das Großereignis werden. Doch im Vergleich zu vor vier Jahren in Russland, wo die Vorfreude und Neugierde überwogen, halten sich diesmal Enthusiasmus, Unsicherheit und Genervt-sein irgendwie die Waage.

    Klar, ich schaue auf die Formkurven der verschiedenen Schlüsselspieler wie Mpappe für Frankreich, Kane (England), Neymar (Brasilien) oder Messi (Argentinien) – dafür eignet sich die Champions League hervorragend – und drücke die Daumen, dass Neuer, Müller und Wirtz es noch rechtzeitig schaffen, wieder fit zu werden, aber ich verfolge auch mit manchmal ungläubiger Empörung die Neuigkeiten aus Katar:

    • Flüge nach Katar zur WM sind weitgehend von Qatar Airlines monopolisiert. Meine bereits im April 2022 vorgenommene Buchung mit Qatar Airlines von Lusaka nach Doha wurde zweimal storniert und der Hinflug ist jetzt umgebucht über Johannesburg, was etliche Stunden länger dauert. Zum Glück sind keine weiteren Kosten angefallen. In anderen Fällen wurden direkte Flüge mit ausländischen Fluglinien storniert und die Umbuchung auf Qatar Airlines kostete mehr als das Doppelte. Abzockerei!
    • Langjährige Mieter und zuletzt auch die Arbeiter auf den unzähligen Baustellen im Land werden kurzerhand aus ihren Wohnungen und Unterkünften geworfen, um Platz zu machen für Fußball-Fans, die dann unverfroren zur Kasse gebeten werden sollen (Tagesmiete von 1.750 USD für ein Apartment, das vorher 2.500 USD monatlich gekostet hat).  
    • Public Viewing von Spielen, für die wir keine Karten haben, wird es wohl nur in der FIFA-Fanmeile geben, da der katarische Fernsehsender BeIn Sport horrende Lizenzsummen von Hotels, Bars und anderen potentiellen Anbietern der WM-Spiele für die Ausstrahlung der Spiele verlangt: angeblich 27.500 USD pro Hotel/Bar!
    • Ich bin als Fan nach der Einreise verpflichtet, eine spezielle APP herunterzuladen, damit ich im Falle eines Corona-Ausbruchs kontaktiert und meine Kontakte verfolgt werden können. Aber mit dem Herunterladen dieser APP einher geht ein umfassender Zugriff auf meine auf dem Smartphone gespeicherten Daten – ich werde gewissermaßen zum gläsernen Fan! Die „schöne neue Welt“ lässt grüßen.

    Ich werde die zwölf Spiele in Katar zusammen mit meinen Freunden und Kollegen Olaf, OJ, Carlos und Tarcy anschauen. Mit Olaf und OJ verbindet mich über kollegiale Beziehungen hinaus eine langjährige Begeisterung für Fußball. Mit ihnen war ich 2018 in Russland zur WM und wollte auch zu verschiedenen EM-Spielen (was wir wg. COVID im letzten Moment stornierten) reisen. Carlos und Tarcy, beides Freunde von Olaf, sind sozusagen Neulinge in unserer Gruppe und kamen an Bord, als ein anderes ursprüngliches Gruppenmitglied im Juni plötzlich absagte. Wir kommen arbeitsbedingt aus allen Richtungen nach Katar: OJ lebt in Deutschland, Olaf in Pakistan, Carlos im Libanon, Tarcy abwechselnd in Südafrika und Kenia und ich reise aus Sambia an.

    Nachdem klar war, dass wir ein Kontingent von knapp 50 WM-Tickets erwerben konnten und wir dafür die Ticket-Nummern bekamen, buchten wir relativ früh eine Unterkunft. Wir fanden ein Apartment, in einem neu errichteten Block, mit zwei Schlafzimmern (d.h. wir müssen uns jeweils ein Schlafzimmer teilen, was uns hoffentlich von den katarischen Behörden nicht als unziemliche Beziehung ausgelegt wird!), Küche und Bad für weniger als 500 USD pro Tag. Verglichen mit den nunmehr aufgerufenen Preisen für Unterkünfte im Fan-Lager (Zelte oder Wellblechütten!), auf Kreuzfahrtschiffen oder in Hotels ist dies als Schnäppchen zu bezeichnen.

    Der nächste Schritt war die Beantragung der sogenannten „Hayya-Card“ – einer sowohl physisch als auch elektronisch verfügbaren „Eintrittskarte“, die Fußball-Fans Einlass für das Land Katar, die (kostenlose!) Nutzung der Metro und den Zugang zu den Stadionbereichen und der FIFA-Fanmeile erlaubt. Auf der Hayya-Karte sind jetzt auch unsere WM-Tickets geladen. Das war alles letztlich relativ leicht zu beantragen und zu bekommen. Im Vergleich zur WM in Russland ist dieses Turnier bereits sehr digital.

    Wir sind jetzt alle registriert, haben unsere Tickets (elektronisch) bekommen, sind gebucht und hoffen, dass keine Pandemie, kein Krieg oder eine sonstige Katastrophe uns noch einen Strich durch die Rechnung macht.

    (Lusaka, 31.10.2022)