Wenn der Ball rollt … ist alle Theorie grau

Die Achtelfinals haben begonnen und die Favoriten beginnen sich herauszuschälen. Für mich gehören neben den üblichen Verdächtigen Argentinien, Brasilien, Frankreich und Spanien auch England, Holland, Portugal und vielleicht sogar Marokko dazu. Andere hoch eingestufte Teams wie Deutschland, Belgien Dänemark, Uruguay und Serbien mussten ja bereits den Heimweg antreten.

Gestern zeigten sich bereits zwei der potentiellen Favoriten: Frankreich und England. Beide Teams gewannen gegen sicherlich schwächer einzustufende Mannschaften (Polen bzw Senegal) – aber sie siegten souverän. Während beim Titelverteidiger aus Frankreich nach den bisherigen Spielen wohl kaum Zweifel an einer Favoritenrolle bestehen, gehen die Meinungen bezüglich der Engländer auseinander. Auch in unserer kleinen Fangruppe. Doch England hat in den bisherigen vier Spielen bereits beachtliche zwölf Tore geschossen. Der englische Angriff um Harry Kane angetrieben von einem Mittelfeld, in dem Jude Bellingham (von Borussia Dortmund) eine herausragende Leistung bietet, hat bereits 12 Tore geschossen und ist aufgrund der unterschiedlichen Spielertypen schwer auszurechnen. Als Schwachstelle der Engländer könnte sich die Abwehr mit „Stolper-Harry“ Maguire erweisen. Bereits im Viertelfinale gegen Frankreich dürfte besonders die Abwehr getestet werden.

Im Gegensatz zu England, das ein dominantes und geduldiges Aufbauspiel bevorzugt, agiert Frankreich mit überfallartigen Angriffen und fast schon passiven „Ruhephasen“, in denen es sich auf seine robuste Abwehr um Upamecano (Bayern München) verlässt. Vorne hängt viel von der Durchsetzungskraft von Superstar Kylian Mbappe ab. Bislang hat er hervorragend abgeliefert. Seine beiden Tore gestern im Spiel gegen den Polen waren Weltklasse. Damit steht er bereits bei fünf Toren in diesem Turnier und neun Treffern bei Weltmeisterschaften, obwohl er erst 23 ist. Dem WM-Torrekord von Miroslav Klose (16 Tore) droht bei der nächsten WM in Nordamerika bereits Gefahr. Mein Tipp fürs Viertelfinale ist ein knapper Sieg Frankreichs.

Abgesehen von Frankreich und England haben wir auch Argentinien, Brasilien und Spanien von den möglichen Favoriten live gesehen. Beeindruckt hat uns davon am meisten Spanien im Spiel gegen Deutschland. Im Gegensatz zu den beiden anderen genannten Teams weist Spanien keinen Superstar auf, spielt aber als Mannschaft hervorragend zusammen und herausragende Einzelkönner wie Gavi, Pedri oder Olmo hat das Team auch. Die Niederlage gegen Japan ist vor allem auf Auswechselungen und mangelnde Fokussierung,und weniger auf Probleme in der Mannschaft zurückzuführen. Besteht Spanien im Achtelfinale gegen die überraschend spielstarken und schnellen Marokkaner, könnte es weit gehen – ein mögliches Viertelfinale gegen Brasilien wurde ja aufgrund der Niederlage gegen Japan vermieden.

Brasiliansiche Fans vor dem Spiel gegen Kamerun (0:1)

Sowohl Argentinien als auch Brasilien scheinen bisher sehr abhängig vom Mitwirken und Form ihrer Superstars Lionel Messi bzw Neymar zu sein. Ohne die Tore des 35-jaehrigen Messi hätte es Argentinien kaum ins Viertelfinale geschafft – aber er muss seine Kräfte einteilen wie das Spiel gegen Australien zeigte, wo er mit rund 8km eine sehr überschaubare Laufleistung erbrachte. Neymar hingegen fehlte Brasilien in zwei der drei Gruppenspiele. Reichte es gegen die Schweiz noch zu einem 1:0 Sieg, verlor die zugegebenermaßen brasilianische B-Elf gegen Kamerun. In beiden Spielen fehlte der Spielwitz und die Struktur im brasilianischen Spiel. Trotzdem und wieder mit Neymar sollte Brasilien heute Abend gegen Südkorea weiterkommen.

Im bereits feststehenden Viertelfinale Argentinien gegen Holland setze ich momentan eher auf die effizient spielenden „Oranjes“. Die spielen unter Trainer-Methusalix Louis Van Gaal so wie früher die deutsche Mannschaft: aus einer starken Abwehr heraus schnell nach vorne, wo gefährliche Stürmer effizient Tore schießen.

Portugal spielt bislang unter seinen Möglichkeiten, was vor allem an der Rolle von Diva Ronaldo liegt. Der will es einfach nicht wahrhaben, dass er nicht mehr die Leistung bringt, wie noch bei der letzten WM und sein Team mit der Fokussierung auf ihn an Gefährlichkeit und Unberechenbarkeit verliert. Solange Portugal nicht sein jenseits von Ronaldo vorhandenes Potential aufruft, könnte bereits gegen die Schweiz Schluss sein.

Marokko hat bisher mit sehr guten Spielen überrascht, ist schnell und funktioniert auch als Mannschaft. Das Achtelfinale gegen Spanien morgen Abend könnte sehr spannend werden. Ich tippe auf einen knappen spanischen Sieg.

Gestern sahen wir endlich auch ein Spiel im letzten der acht WM-Stadien, in der Al Thumana Arena. Es war von allen Stadien das mit der schlechtesten Infrastruktur. Die Anfahrt mit Shuttle Bussen dauerte im Abend-Verkehr fast 45 Minuten und dann hielten die Busse etwa zwei Kilometer vom Stadion entfernt. Wir kamen 15 Minuten zu spät zum Anpfiff. Das Innere des Stadions hatte den Charme eines deutschen Parkhauses mit funktionaler, aber kalter Beton-Architektur. Im Gegensatz zu den anderen Stadien gab es weniger Toiletten und Verkaufsstellen für Getränke.

al-Thumama Stadion

Heute Abend geht es noch einmal in das im Süden gelegene al Janoub Stadion zum Deutschland-Ersatzspiel Japan gegen Kroatien. Hier erwarte ich ein zähes, enges Spiel, das in einem Elfmeterschießen enden könnte.

Aber vielleicht liege ich ja mit meinen Einschätzungen völlig daneben. Wenn der Ball ersteinmal rollt, ist alle Theorie grau!

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