Der Barbier von Benzema

Gestern trafen OJ, Olaf und ich den Friseur des Weltfussballers Karim Benzema beim Spiel Tunesien gegen Frankreich. Da wir noch eine Karte für das Spiel übrig hatten (unser Freund Tracy konnte wegen einer Zahnoperation bislang noch nicht kommen), bot Olaf sie vor dem Stadion an. Ein blondierter, mit goldener Designer-Brille ausstaffierter junger Mann war der einzigste der Interesse zeigte. Er war total glücklich, noch ein Ticket zu bekommen und erzählte Olaf, dass Benzema ihm Tickets versprochen hatte, aber aufgrund seiner Verletzung nicht im französischen Kader sei und daher auch keine Tickets verteilen könne. Er zeigte uns auf seinem Handy Bilder von ihm und Benzema. Als gebürtigem Algerier, der in Paris ansässig ist, schlugen zwei Fußballherzen in seiner Brust. Im Endeffekt jubelte er bei Tunesiens Tor!

Das “Education City” Stadion mit einem Fassungsvermögen von knapp 45.000 Zuschauern war gestern für das Tunesien-Spiel fast vollständig gefüllt. Dreiviertel der Zuschauer unterstützten den Außenseiter Tunesien, wobei sich die Frage stellt, woher sollen mehr als 30.000 Tunesier kommen. Einerseits aus der großen tunesischen Gastarbeiter-Population in Katar und andererseits von den Fans anderer arabisch-sprachiger Länder. Letzteres ist ein Phänomen, wie wir es in den vorherigen Weltmeisterschaften nur bedingt beobachten konnten: geografische oder sprachliche Verbundenheit drückt sich in gegenseitiger Unterstützung bei den Spielen aus. Mexikaner unterstützen Ecuadorianer und selbst Argentinier und umgekehrt. Am stärksten ist die gegenseitige Unterstützung aber unter den arabisch-sprachigen Ländern. Saudis und Kataris, politisch eher spinnefeind, fanden sich zur wechselseitigen Anfeuerung ihrer Teams zusammen (obwohl es bei der Mannschaft aus Katar nicht viel anzufeuern oder gar zu bejubeln gab: Katar ist der schlechteste aller WM-Gastgeber!); Gastarbeiter aus Ägypten jubeln Tunesien und Marokko genauso zu wie Saudi-Arabien oder gar dem Iran. Nur die afrikanische Solidarität scheint weniger ausgeprägt zu sein.

Education City Stadion

Für die Länder des nahen und mittleren Ostens richtet Katar eine arabische Weltmeisterschaft aus, die eben in Katar stattfindet, weil es sich dieses Land leisten kann. Das ist ein Aspekt, der bislang eher wenig thematisiert wurde, aber zum Verständnis der WM wichtig ist. Westliche Kritik – so berechtigt sie uns auch erscheinen mag – tropft hier nicht nur ab, sondern erweckt empörtes Unverständnis. Diese Kritik kommt in der Region als überzogen, kolonialistisch (“man gönnt es uns als Arabern nicht, die WM auszurichten”) und mit einer Doppelmoral behaftet ( warum gab es diese Kritik nicht zur WM in Russland, das vier Jahre zuvor die Krim illegal annektiert hatte?) an. Kritik ist meiner Meinung nach vor allem gegenüber der intransparenten und Katar gegenüber devoten FIFA angebracht. Aber dazu ein anderes Mal.

Wurde das französische B-Team, das zunächst auflief, und von den hochmotivierten Tunesiern ein uns andere Mal in Verlegenheit gebracht wurde, nur moderat von den tunesischen Fans ausgepfiffen, steigerten sich die Pfiffe und Buhrufe in ein ohrenbetäubendes Crescendo, als nach 60 Minuten der französische Star Kylian Mbappe eingewechselt wurde. Jedesmal, wenn er den Ball erhielt explodierte das Stadion. Unser neben uns sitzender Barbier von Benzema, erklärte das mit der Angst der Zuschauer, dass Mbappe das Spiel – es stand zwischenzeitlich 1:0 für Tunesien – noch drehen könnte. Am Ende siegte Tunesien glücklich mit 1:0, weil der Schiedsrichter ein in letzter Sekunde erzieltes Tor der Franzosen aufgrund einer obskuren Abseitsregel (es ist auch dann abseits, wenn der Ball in unkontrollierter Weise vom Gegner kommt) nicht anerkannte.

Ach ja, ich ging gestern auch zu einem Barbier, um mir Haare und Bart stutzen zu lassen – meiner kam aus Sri Lanka,

Im Bus auf dem Weg ins Apartment

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