Arrogante Trommler

Mit dem Spiel Ecuador gegen Senegal hatten Olaf und ich uns eine Partie ausgesucht, in der beide Teams noch den Einzug ins Achtelfinale realisieren konnten. Ecuador reichte ein Unentschieden, der Senegal musste gewinnen. Wir fuhren mit Bus und Metro zum Khalifa-Stadion (wo die deutsche Mannschaft gegen Japan verlor). An der zweiten Haltestation drängte plötzlich eine Gruppe von singenden Senegal-Fans in den bereits ziemlich vollen U-Bahnwagen und verbreiteten WM-Stimmung. Auf dem Weg ins Stadion zeigte sich dann aber an den gelben Trikots, dass die Anhänger Ecuadors in der Überzahl waren – und zwar signifikant.
Das Stadion-Vorfeld am Khalifa ist sehr großzügig ausgelegt und hat mit dem in verschiedenen Farben illuminierten Tower sowie einer aus der Entfernung an eine Kombination aus Flaschenöffner und dem Symbol der Automarke Opel erinnernde Skulptur zwei leicht wieder zu erkennende Wahrzeichen. Trotz großen Andrangs gelangten wir entspannt zum Block mit unseren Plätzen, fanden diese aber schon von zwei Senegalesen belegt vor. Die gaben vor kein Englisch zu können und reagierten auch auf französische Ansprache nicht, sondern blieben einfach stur sitzen. Der herbei eilende Sicherheitsmann hatte wohl auch keine Lust auf Ärger und wies uns zwei leere Plätze eine Reihe höher zu. Da in dieser Reihe noch viele Sitze leer waren, nahmen wir an, von hier aus das Spiel sehen zu können.

Obwohl im Stadion die gelben Farbe der Ecuador Fans überwog, waren wir im einzigen von den Senegalesen dominierten Teil gelandet. Wir waren umgegeben von z.T. skurril verkleideten Senegalesen – einer trug einen Löwenkopf, ein anderer war als afrikanischer Medizinmann ausstaffiert -, tanzenden Frauengruppen und Fahnen schwenkenden Fans in grün, rot und gelb gekleidet. Am beeindruckensten war eine Gruppe aus rund 20 in den Nationalfarben gewandeten Frauen, die zu den Klängen von traditionellen afrikanischen Trommeln in einer Tour tanzten und rhythmisch Schellen zusammen schlugen. Die Gruppe erzeugte über die gesamte Spieldauer hindurch eine infernalische Geräuschkulisse, bei der wir kaum mitbekamen, wie der Rest des Stadions auf das Spiel reagierte. Die nicht-senegalesischen Zuschauer in unserer Umgebung waren so fasziniert, dass sie kaum noch auf das Spiel achteten, sondern die senegalesische Tribünen-Präsenz filmten und fotografierten.

Aber zurück zu unseren Plätzen: fünf Minuten nach Spielbeginn tauchten plötzlich zwei Ecuadorianer auf, die Tickets für unsere Plätze hatten und natürlich darauf bestanden, diese auch einnehmen zu können. Beim Lärm der Trommler konnten wir uns kaum verständigen, die Ecuadorianer konnten wohl auch kein Englisch, so dass die Situation in einem Patt zu münden schien – wir saßen, die anderen standen – bis drei Ordner erschienen. Die versuchten, die auf unseren Plätzen kampierenden Senegalesen zum Aufstehen zu überreden, wurden aber sofort von etlichen anderen Senegalesen aggressiv angegangen und bedroht. Der einzig de-eskalierende Ausweg war, dass Olaf und ich zwei noch freie Plätze etwa zehn Reihen weiter oben einnahmen. Die Ordner hätten sonst einen aggressiven Block mit mehr als 200 Senegalesen gegen sich gehabt.

In meinen mehr als 30 Jahren in Afrika habe ich solch unfreundliches und aggressiv aufgeladenes Verhalten noch nicht erlebt. Neigten wir zu Beginn eher dem Senegal zu, hielten wir danach – leider vergeblich – Ecuador die Daumen gedrückt. Das Spiel konnten wir zumindest ohne Sound – es war ja alles von den Trommlern überlagert – weiter verfolgen, ohne dass es noch wirklich Begeisterung erweckte. Im Achtelfinale spielen jetzt die Engländer gegen die Senegalesen – mal sehen, was bei einem Zusammenstoß der notorisch aggressiven und pöbelnden englischen Fans mit diesen Senegalesen passiert.

Heuete Abend steht für uns das Spiel Frankreich gegen Tunesien im Education City Stadion an. Hoffentlich ist die Stimmung dort wieder besser.

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