Kein Samba auf dem Platz – nur auf der Tribüne

Mein fünftes Spiel führte mich zum zweiten Mal zu einer Partie der Schweiz. Gegen Brasilien hatten meine Schweizer Sitznachbarn nach dem Spiel gegen Kamerun ihrer Nati, wie die Schweizer Nationalmannschaft recht liebevoll genannt wird, kaum Chancen eingeräumt – zu behäbig hatte sie agiert. Aber mit dem Ausfall von Neymar fehlte den “Brazileros” die Schaltzentrale im Mittelfeld und wenn die Schweizer vielleicht nicht gerade eine Angriffsmaschine sind, verteidigen können sie! So entwickelte sich gestern Abend ein über weite Strecken relativ langweiliges Spiel ohne große Höhepunkte. Erst in der zweiten Halbzeit gelang es den Brasilianern mehr Druck aufzubauen und nach einem schön herausgespielten Abseitstor traf letztendlich der Mittelfeldabraeumer Casemiro mit einem Kunstschuss kurz vor Ende der regulären Spielzeit.

Wenngleich das Spiel nicht hochklassig war, die von den brasilianischen Zuschauern erzeugte Stimmung war es. Im mit gut 40.000 Zuschauern nicht restlos gefüllten Stadion dominierte das Gelb der brasilianischen Trikots, rote Schweizer “Flecken” gab es nur vereinzelt. Aber längst nicht alle in gelb gekleideten Fans waren echte Brasilianer, ich vermute die Mehrheit waren einheimische Fans und Anhänger anderer Teams, die Brasilien einfach mögen. Viele Fans trugen “Neymar-Trikots”, aber da er nicht spielte, konnten wir unsere Idee ihn mit “Lula, Lula”-Rufen aus dem Konzept zu bringen, nicht umsetzen. Zur Erklärung: Neymar outete sich als überzeugter Unterstützer des gerade abgewählten, rechtsradikalen Präsidenten Bolsonaro. Bei den Wahlen im Oktober gewann der progressive, linksliberale frühere Präsident Lula.

Nach dem Khalifa-Stadion, dem al Bayt-Stadion und dem al Janoub-Stadion war das 974-Stadion bereits die vierte von acht Spielstätten, in die ich bislang gekommen bin. Die vier weiteren Stadien werde ich bis zum Abschluss meiner Katar-Reise auch noch in Augenschein nehmen können. Heute Abend zum Spiel Ecuador gegen Senegal geht es wieder ins Khalifa-Stadion.

Mit Ausnahme des 974-Stadions sind alle Stadien klimatisiert. Aus gigantischen Kuehlaggregaten wird permanent kalte Luft aus unter den Sitzen befindlichen Düsen ins Stadion geleitet. Das kühlt die Innentemperatur auf manchmal fast zu kühle 22C herunter und hilft auch den Spielern, mit den saisonal ungewohnten klimatischen Bedingungen (25C gegen 20.00 Uhr mit z.T. hoher Luftfeuchtigkeit) besser klarzukommen. Es ist aber auch eine gewaltige Energieverschwendung, über vier Stunden, ein nach oben hin geöffnetes Stadion so herunter zu kühlen.

Die Veranstalter und die FIFA hatten grossspurig angekündigt, dass die WM nahezu klimaneutral sein werde. Angesichts der immensen Emissionen beim Bau der Infrastruktur (Metro, Stadien, Straßennetz), der Herunter-Kühlung der Stadien oder von Shuttle Flüge für Fans im Stundenrhythmus aus dem benachbarten Dubai, die in Katar keine Unterkunft mehr gefunden hatten, bleibt schleierhaft, wie dies erreicht werden soll. Selbst die kompakte Ausrichtung der WM, bei der die Stadien maximal 55km voneinander entfernt liegen und die lange Flüge wie z.b. bei der WM in Russland vermeidet oder der Rück- oder Umbau der Stadien nach der WM (das 974-Stadion besteht aus Containern und soll sogar komplett abgebaut werden) werden kaum ausreichen, Klima-Neutralität herzustellen.

So jetzt wird es bald schon wieder Zeit, mich für das nächste Spiel – Ecuador vs. Senegal – fertig zu machen. Morgen meine Eindrücke von diesem Spiel!

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